Montag, 23. September 2013

Deutschland hat gewählt. Sind wir alle schizophren?

Das Ergebnis der Bundestagswahl überrascht, da viele Wähler scheinbar entgegen ihren Überzeugungen abgestimmt haben.
Merkel und die CDU können sich über 41,5% der Stimmen freuen, die SPD muss sich mit 25,7% begnügen.
Bei der sozialen Gerechtigkeit sowie der Fähigkeit für angemessene Löhne zu sorgen wurde die SPD laut Infratest-Dimap mit 43% bzw. 45% deutlich kompetenter als die CDU (24% bzw. 25%) eingeschätzt. Entscheidend ist, dass diesmal im Gegensatz zur Wirtschaftkrisenfolgejahr 2009, die Frage der sozialen Gerechtigkeit ein zentrales Entscheidungskriterium war. Für 57%!! waren angemessene Löhne und Arbeitsbedingungen sowie eine gute Absicherung im Alter sehr wichtig.
Die Zukunft des Euro – wo die Union wesentlich kompetenter eingeschätzt wird, war lediglich für 31% maßgeblich bestimmend für die Wahlentscheidung. Der CDU/CSU wird von den Wählern traditionell als kompetenter in der Wirtschafspolitik eingeschätzt (diesmal 58% vs. 22%). Allerdings vermag das den Wahlausgang nicht zu erklären, da es für die Wähler nicht das entscheidende Thema war.
Lediglich 32% waren der Ansicht waren, dass sich die Regierung primär für mehr Wirtschaftswachstum einsetzen sollte, 51% halten  es für wichtiger für mehr sozialen Ausgleich zu sorgen.
Zusammengefasst hält die große Mehrheit der Wähler die SPD in der Frage der sozialen Gerechtigkeit nicht nur für kompetenter, dieser Themenkomplex scheint derzeit auch die Menschen stark zu bewegen. Dennoch konnte die SPD kaum punkten. Weshalb?
1)   Der Kandidat war „suboptimal“. Mir persönlich war er trotz seiner „Wahlkampfmacken“ sympathisch, aber das ist sekundär. Er war im direkten Vergleich mit Merkel hoffnungslos unterlegen. Viel verheerender war indes, dass er für die Mehrheit der Wähler bei der Frage der sozialen Gerechtigkeit z.T. als unglaubwürdig angesehen wurde. Weitaus schwerer war sein „mangelnder Spürsinn“ für den Wahlkampf in einer leicht rechtslastigen und v.a. auf Effekte und Momentaufnahmen fixierten Mediendemokratie. Seine offene und ruppige Art haben manche Journalisten gegen ihn aufgebracht, u.a. Dirk Kurbjuweit, der im Spiegel eine regelrechte Kampagne gegen Steinbrück geführt hat. Manches wurde aufgebauscht, vieles war selbst verschuldet:
Letztlich spielte das Merkel und der CDU in die Karten, denn mit all diesen Ablenkungen konnte die SPD die Scheinwerfer der Öffentlichkeit nicht hinreichend auf die Politikfelder lenken die für die Wähler wichtig und in denen die SPD zudem insgesamt als kompetent angesehen wird.
Steinbrück konnte zwar beim TV-Duell Punkte sammeln, aber das war viel zu spät um sein beschädigtes Image hinreichend zu reparieren und das Ruder nochmal rumzureißen.
Zusammengefasst lässt sich sagen: Steinbrück könnte zwar Kanzler, Wahlkampf kann er definitiv nicht, denn er hat es nicht geschafft die Scheinwerfer auf die eigenen Stärken (und die Schwächen der CDU) zu richten.
2)   Auf der anderen Seite hat Merkel erfolgreich eine Dreifachstrategie geführt. Erstens keinerlei Zumutungen angekündigt (Kürzungen oder Steuererhöhungen). Zweitens bei Themen der sozialen Gerechtigkeit viele Pakete ins Schaufenster gestellt, die bei einer oberflächlichen Beschäftigung mit der Thematik (Lebensleitungsrente, Mindestlohn usw.) scheinbar ausgereicht hat um Wähler an sich zu binden. Drittens voll und ganz auf die Beliebtheit der Kanzlerin gesetzt, das angesichts der Entpolitisierung in einer schnelllebigen Mediendemokratie von Erfolg gekrönt war. „Der Kandidatenfaktor war diesmal hochrelevant: Nach 19 Prozent 2005 und 28 Prozent 2009 war jetzt für 34 Prozent aller Befragten und 45 Prozent der CDU/CSU-Wähler wichtiger, wer Kanzler wird, und nicht, welche Parteien nach der Wahl zusammen regieren (56 Prozent).“
Insgesamt mutet es kurios an, dass die Wähler offensichtlich entgegen die eigenen Interessen abgestimmt haben.

Ausnahmslos düster sind die Aussichten für die SPD (und die anderen Parteien des linken Spektrums) aber nicht. Die Bedingung: sie müssen sich wieder auf ihre Kernkompetenzen besinnen und sich für authentische Politiker in der ersten Reihe entscheiden die glaubwürdig für die eigene Programmatik einstehen sowie zudem wenig persönliche Angriffsfläche bieten.

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